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Bildbetrachter

Holz, Messing, Glas Furniert, lackiert, geschnitzt
Denkt man an die Anfänge der Fotografie, hat man Atelieraufnahmen von einzelnen Personen oder Gruppen vor Augen, sitzend oder stehend an einer antiken Säule. Die Erfindung der Fotografie im 19. Jahrhundert veränderte die Sichtweise der Menschen. Das fotografierte Porträt ersetzte das gemalte. Porträtfotografien wurden auf kleinformatigen Karton aufgezogen, in Alben gesammelt und untereinander getauscht. Fremde Länder und Kulturen konnten von zu Hause entdeckt werden. Geräte zum Betrachten der Bilder wurden entwickelt, die räumliche Tiefe simulierten. So diente dieses Betrachtungsgerät, auch Graphoskop genannt, der Vergrößerung von Photographien und kleinformatigen Graphiken und Postkarten. Der Blick durch die Linse erzielt eine Tiefenwirkung. Das Graphoskop geht auf eine Erfindung des Engländers Charles John Rowsell zurück, der sich das Gerät 1864 patentieren ließ. Neben dem Graphoskop mit Monolinse wurden auch Geräte mit zusätzlichem Stereoskop gefertigt. Bei diesen Modellen befinden sich unter dem Vergrößerungsglas zwei kleinere nebeneinander liegende Linsen oder es ist eine Schablone mit zwei Ausschnitten hinter der Monolinse angebracht, die gegebenenfalls aufgestellt werden kann. Heute werden unter dem Begriff Graphoskop sogenannte Münz-Fernrohre verstanden, wie man sie an vielen Aussichtspunkten findet.
Der Bildbetrachter gelangte 1985, als Teil einer umfangreichen Schenkung aus dem Nachlass von Hertha Riedl aus Krumbach, in den Sammlungsbestand des Mittelschwäbischen Heimatmuseums Krumbach. Er besteht aus einem rechteckigen, dreigeteilten Korpus, mit einer großen Linse im Deckel. Die drei Teile sind aufklappbar und lassen sich über kleine Messingbeschläge schließen. In dem Mittelstück befindet sich eine Schiebeleiste mit einer Einsteckvorrichtung für die zu betrachtenden Bilder. Um das Mittelstück in eine schräge Position zu verlagern, enthält das Bodenstück einen entsprechenden Aufsteller, der sich in drei verschiedene Stufen einstellen lässt. Der Bildbetrachter wurde aus Edelholz gefertigt, teilweise furniert und schwarz lackiert. Die zentriert im Deckel eingefasste Linse ist von einem profilierten erhabenen Rahmen umrandet. Oben und unten wird das Vergrößerungsglas von flach geschnitzten Blütenzweigen mit Vergissmeinnicht flankiert. Der vermittelte Gedanke der Erinnerung bildet hier einen Einklang mit dem Betrachten von Fotografien. Den facettierten Deckelrand ziert ein ebenfalls flach geschnitzter Doppelrahmen mit kleinen stilisierten Lilienblüten in den Ecken. Einzelne Partien der Schnitzerei sind Gold gefasst. Das Graphoskop enthält keinen Herstellerhinweis, ähnelt in seiner Verarbeitung aber sehr denen der Firma C. Eckenrath aus Berlin. Diese sind ebenfalls schwarz lackiert mit flach geschnitzten Blüten und Blütenranken. Die Firma C. Eckenrath spezialisierte sich in den 1860er Jahren bereits auf die Erzeugung und den Handel von Stereobildern und Stereoskopen. So wie dieses Betrachtungsgerät sind auch viele andere Erfindungen für den privaten Gebrauch gedacht. Auf den Tisch gestellt, bieten sie dem Nutzer eine bequeme und einfache Art, Bilder mit Tiefenwirkung zu betrachten. Dazu wird das entsprechende Bild in der Vorrichtung aufgestellt. Durch einen kleinen Metallschieber auf der Rückseite lässt sich der Bildträger nach oben und unten verschieben. Zudem kann die Einsteckvorrichtung zum Fokussieren nach vorne und zurück geschoben werden. Um nun in gerader Sitzposition einen Blick durch die Linse werfen zu können, wird das Mittelstück über den Aufsteller in die entsprechende Höhe eingestellt. Dem Betrachten von Porträtfotografien oder fotografisch festgehaltenen familiären Ereignissen konnte man sich so in entspannter Haltung zu Hause widmen.
7 x 15 x 23 cm (geschlossen)
Inv.Nr. 001848